Text: Anja Schnake und Irja Most ∙ Illustration: Barbara Gibson Konzept: Sepideh Honarbacht und Anna Karch
Mit der neuen Bundesregierung kommt die bundesweite Krankenhausreform auf ihre Zielgerade. Fest steht, dass die Bundesländer bei ihrer Krankenhausplanung künftig mehr auf Qualität achten müssen als bisher. Auch die Vergütung der Häuser auf der Grundlage von Fallpauschalen wird reformiert. Ein milliardenschweres Investitionsprogramm soll die überkommenen Klinikstrukturen innerhalb von zehn Jahren in eine moderne Versorgungslandschaft überführen – ein Kraftakt für Länder, Träger, Kommunen und die Gesellschaft insgesamt. Ob das Vorhaben gelingt, bleibt vorerst ungewiss.
Das Kerngeschäft der Kliniken hat sich in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend verändert: Medizinischer Fortschritt, Spezialisierung, Digitalisierung und auch niedrige Fallzahlen fordern die Häuser heraus. Nur die Strukturen der Versorgung sind nahezu stabil geblieben. Das macht die Versorgung schlechter und teurer, als sie sein sollte.
„Krankenhäusern in Angermünde und Prenzlau droht Insolvenz“ (RBB, 9. April 2025).
„Was wäre, wenn das Linzer Krankenhaus schließen müsste?“ (Rhein-Zeitung, 1. Mai 2025).
„Personalmangel weiterhin großes Problem“ (Schwarzwälder Bote, 2. Mai 2025).
Im Kliniksektor herrscht Krisenstimmung, viele Häuser kämpfen mit sinkenden Erlösen oder schreiben rote Zahlen. Und dies, obwohl nie zuvor so viel Geld in die stationäre Versorgung geflossen ist: Rund ein Drittel der gesamten Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV: 306,4 Milliarden Euro) fließt in den Kliniksektor. Im Jahr 2023 waren es erstmals fast 94 Milliarden Euro. Tendenz: steigend. Trotz der hohen Ausgaben bleiben viele Häuser qualitativ hinter den Möglichkeiten der modernen Medizin zurück. So erleben Patientinnen und Patienten nach bestimmten Eingriffen in einigen Kliniken deutlich mehr Komplikationen als in anderen.
Medizin im Wandel: Zu viele Häuser sind Generalisten
Warum? Deutschland hat laut Statistischem Bundesamt mit 1.847 Krankenhäusern und 476.924 stationären Betten (2023) im internationalen Vergleich sehr hohe Klinikkapazitäten im Verhältnis zur Bevölkerung. Darunter sind Einrichtungen wie Reha- oder Fachkliniken, die es in anderen Ländern, etwa Dänemark, nicht gibt, aber auch zahlreiche kleine Grund- und Regelversorger mit weniger als 200 Betten.
„Das war in den 70er-Jahren eine vorbildliche, dezentrale Versorgung“, sagt Andreas Beivers, Professor für Gesundheitsökonomie an der Hochschule Fresenius in München, „damals hat der Chirurg von Kopf bis Fuß praktisch alles operiert.“ Heute gibt es jedoch in den medizinischen Fächern eine starke Spezialisierung. Etliche kleine Häuser, die teilweise auch in Großstädten stehen, haben aber bis heute kaum medizinische Schwerpunkte ausgebildet und für spezielle oder seltene Erkrankungen nur wenig Expertise. „Wir brauchen zwar eine Versorgung in allen Regionen und eine gesicherte Notfallversorgung“, sagt Beivers, „insgesamt aber müssen anspruchsvolle Behandlungen an weniger, dafür aber größeren Krankenhäusern erfolgen, die bessere Ergebnisse erzielen.“
Andere europäische Länder haben bereits vor zwei Jahrzehnten begonnen, ihre Klinikstrukturen in diesem Sinne zu reformieren. Auch für Patientinnen und Patienten in Deutschland sollte es künftig leichter werden, ein geeignetes Krankenhaus für einen bestimmten Eingriff zu finden.
↑ Im Verhältnis zur Bevölkerung hat Deutschland allein bei den Allgemeinen Krankenhäusern dreimal so viele Standorte wie Dänemark.
Übernachtung im Krankenhaus ist oft die schlechtere Wahl
Im internationalen Vergleich arbeiten in Deutschland viele Ärztinnen und Ärzte, auch die Zahl der Pflegekräfte ist hoch. Viele Eingriffe und Prozeduren, die in anderen Ländern längst ambulant durchgeführt werden, sind hierzulande aber noch mit einem Klinikaufenthalt verbunden. Experten schätzen, dass je nach Fachabteilung bis zu 30 Prozent der aktuellen Klinikaufenthalte aus medizinischer Sicht nicht nötig sind.
Angesichts der hohen stationären Fallzahlen gibt es deshalb in Deutschland sogar zu wenig Personal in Krankenhäusern. Die Engpässe am einzelnen Standort könnten sich in absehbarer Zeit weiter zuspitzen. Beivers: „Ab 2030 werden mit dem demografischen Wandel mehrere Hunderttausend Fachkräfte, die heute in Kliniken arbeiten, aus dem Berufsleben ausscheiden.“ Wie in anderen Ländern längst üblich, könnten auch in Deutschland mehr Patientinnen und Patienten ohne Übernachtung im Krankenhaus behandelt oder operiert werden. „Ambulante Behandlungen können häufig sogar die bessere Versorgung für die Patientinnen und Patienten sein“, sagt Andreas Beivers, „zumindest dann, wenn wir in den Regionen eine gute Nachsorge organisieren.“
Leere Betten, leere Kassen
Das Finanzierungssystem der deutschen Kliniken ist seit 2020 im Ausnahmezustand. Mit Beginn der Covid-19-Pandemie verordnete die Politik den Kliniken, Betten für potenzielle Corona-Erkrankte freizuhalten, und kompensierte großzügig die wegbrechenden Einnahmen. Im März 2022 löste der Angriff Russlands auf die Ukraine eine Energiekrise aus, die zu hohen Inflationsraten führte. Der Bund unterstützte die Krankenhäuser daraufhin mehrere Jahre mit umfangreichen Wirtschafts- und Energiehilfen. „Seit diese Gelder auslaufen, sehen wir ein verstärktes Insolvenzgeschehen“, sagt Beivers.
Wichtiger Faktor sind die rückläufigen Fallzahlen: Schon in den Jahren nach 2016 verbuchten die Kliniken tendenziell rückläufige Patientenzahlen. In der Pandemie haben die Häuser dann durchschnittlich 13 Prozent weniger Fälle verbucht als 2019. Und viele Betten stehen noch immer leer: Bis heute haben die Patientenzahlen nicht wieder das Niveau der vorpandemischen Zeit erreicht. Die daraus folgenden Umsatzeinbußen gefährden inzwischen auch Kliniken, die für die Versorgung gebraucht werden. „Der Strukturwandel muss gesteuert werden, damit die Menschen überall eine gute Versorgung behalten“, so Beivers.
↑ Obwohl die Fallzahlen der Kliniken erstmals seit 2020 wieder auf 17,2 Millionen gestiegen sind, bleibt die Belegung mit 71,2 Prozent zu niedrig.
Die Krise der Kleinen?
Etliche, auch große Krankenhäuser schreiben derzeit rote Zahlen. Insolvenzen, Fusionen und Kooperationen helfen den Kliniken, sich besser aufzustellen, geschlossen wurden bisher nur wenige. In Geldnot sind häufig die Häuser freigemeinnütziger Träger, aber auch vielen Landkreisen wird ihr (kommunales) Krankenhaus zur Last. „Die aktuelle Lage ist katastrophal", sagt Mandy Klemm, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Landratsamt Vorpommern Rügen. Ein alarmierendes Beispiel seien die Bodden-Kliniken. „Der Landkreis musste als alleiniger Gesellschafter bereits mehrere Millionen Euro nachsteuern, um die Liquidität des Hauses zu sichern“, so Klemm.
Anders die Lage bei den großen Trägern: Die 50 größten Krankenhausverbünde sind in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Selbst vom krisenhaften Bilanzjahr 2022 auf 2023 verbuchten sie laut Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Curacon kräftig steigende Umsatzerlöse von durchschnittlich 6,4 Prozent: „Starke Entwicklung trotz oftmals widriger Umstände“, so die Bilanz der Autoren. Sie gehen davon aus, dass das auch so bleibt.
Um den Strukturwandel im Kliniksektor besser zu steuern, die Qualität bundesweit einheitlich zu sichern und versorgungsnotwendige Häuser zu erhalten, hat die Bundesregierung eine bundesweite Krankenhausreform angestoßen.
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In Deutschland entscheidet jedes Bundesland für sein eigenes Landesgebiet, welche Kliniken welche Leistungen anbieten, und legt dafür Rahmenbedingungen fest, die die Qualität sichern sollen. Dabei müssen die Länder die Investitionskosten der Krankenhäuser aus ihrem Haushalt bestreiten. Beim Bund liegt dagegen die Zuständigkeit für die Finanzierung der Betriebskosten der Krankenhäuser. Das Vergütungssystem bildet deshalb den stärksten Hebel für eine bundesweite Krankenhausreform.
In Bezug auf die Krankenhausplanung orientiert sich die Reform an Nordrhein-Westfalen (NRW). Ende 2024 vergab das Bundesland die Versorgungsverträge erstmals anhand sogenannter Leistungsgruppen – mit einem wichtigen Unterschied zum Bund.
Die Bundesländer müssen sicherstellen, dass die Bevölkerung bei Bedarf eine akutmedizinische Versorgung in leistungsfähigen und wirtschaftlich eigenständigen Krankenhäusern erhält. Bisher vergeben die Länder – mit Ausnahme von NRW – Versorgungsaufträge, indem sie den Kliniken bestimmte Fachabteilungen und eine bestimmte Anzahl Betten zuweisen. Viele Erkrankungen werden jedoch in verschiedenen Abteilungen behandelt. Für die bedarfsgerechte Zuweisung von Versorgungsaufträgen sind die Leistungen von Fachabteilungen deshalb zu unbestimmt. Zudem entscheiden zunehmend die knappen personellen Ressourcen über die Kapazitäten eines Krankenhauses – und nicht die vorhandenen Betten. Die Systematik sagt deshalb immer weniger darüber aus, welche Erkrankungen tatsächlich wo behandelt werden.
Mit der Krankenhausreform soll sich bundesweit eine neue trennscharfe Planungsgröße durchsetzen: Sogenannte Leistungsgruppen bündeln verwandte medizinische Leistungen rund um ein Organsystem oder einen Versorgungsbereich. Sie bauen auf den Fallpauschalen, Diagnosis Related Groups (DRG), auf. Damit werden die Versorgungsaufträge entsprechender Abteilungen bundesweit einheitlich und eindeutig definiert, zudem werden ihre Leistungen klarer voneinander abgegrenzt als bisher. Darüber hinaus lässt sich exakt sagen, wie viele Behandlungsfälle jährlich in einer solchen Leistungsgruppe anfallen.
Während NRW in seiner Krankenhausreform mit 60 Leistungsgruppen an den Start ging, hat das Krankenhausversorgungs-Verbesserungsgesetz (KHVVG) bundesweit 65 solcher Versorgungsbereiche definiert. In Bezug auf ihre Fallzahlen bilden die Allgemeine Chirurgie und die Innere Medizin mit zusammen 45 Prozent aller Patientinnen und Patienten des Jahres 2023 die Gruppen mit den meisten Behandlungsfällen. Daneben gibt es viele kleine Leistungsgruppen mit weniger als fünf Prozent Anteil am Versorgungsgeschehen – bis hin zu hoch spezialisierten Bereichen wie etwa die der Leber- oder Darmtransplantationen, die nur einige Male pro Jahr durchgeführt werden. Insbesondere bei spezialisierten Leistungen profitieren die Patientinnen und Patienten, wenn die Eingriffe nur noch an Kliniken mit entsprechenden Versorgungsaufträgen durchgeführt werden.
↑ Knapp 45 Prozent aller Fälle werden in der Allgemeinen Inneren Medizin und Allgemeinen Chirurgie abgebildet.
Das Ende von „Wer kann, der darf“
Die Krankenhäuser müssen künftig nachweisen, dass sie personell und von ihrer technischen Ausstattung her für eine bestimmte Versorgung geeignet sind, bestimmte Strukturmerkmale und Prozesse sicherstellen können und auch genügend Erfahrung mit entsprechenden Therapien haben.
Um die Leistungsgruppe „Allgemeine Chirurgie“ zu erhalten, sollen Kliniken zum Beispiel drei Fachärzte mit entsprechender Zusatzweiterbildung am Standort beschäftigen. Auch für die Frauenheilkunde und die Geburtshilfe werden drei Fachärztinnen oder -ärzte gefordert, für andere, etwa die Leistungsgruppe Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, sogar fünf. Konkret wird das Gesetz auch bei der Medizintechnik, so sieht es etwa für die Interventionelle Kardiologie ein Katheterlabor, ein Röntgengerät, Möglichkeiten zur Computertomografie und zwei Echokardiografie-Verfahren (12-Kanal- und transösophageales EKG) vor.
Viele Leistungsgruppen erfordern zudem Versorgungsaufträge in anderen Bereichen: So muss ein Haus, das die Leistungsgruppe „Komplexe Gastroenterologie“ beantragen möchte, auch die Leistungsgruppen „Allgemeine Chirurgie“, „Allgemeine Innere Medizin“ und „Intensivmedizin“ zugeteilt bekommen. Schließlich wird die Vergabe von Leistungsgruppen auch davon abhängen, ob die Klinik in dem jeweiligen Versorgungsbereich genügend Fälle vorweisen kann. Die Strukturvorgaben sollen gewährleisten, dass die Kliniken ihre Patientinnen und Patienten qualitativ hochwertig behandeln können.
Mehr Partnerschaft, weniger Wettbewerb
Statt wie bisher mit denselben Angeboten um dieselben Patientinnen und Patienten zu konkurrieren, sollen die Häuser einer Region damit zu einer klaren Arbeitsteilung und unterschiedlichen Zuständigkeiten kommen. Eine umfassende medizinische Versorgung werden Universitätskliniken und Kliniken der Maximalversorgung bieten. Andere Häuser brauchen eine neue Medizinstrategie: Mittelgroße und kleinere Einrichtungen können sich auf ihre Stärken konzentrieren und gegebenenfalls mit Kliniken in ihrem Umfeld zusammenarbeiten – etwa, wenn sie bestimmte Kompetenzen oder Leistungen nicht am Standort vorhalten können. Dabei könnten Unikliniken und Maximalversorger die Versorgung in der Region koordinieren und ihre Expertise bei hoch spezialisierten Leistungen zur Verfügung stellen. Sehr kleine Einrichtungen können die Länder als sogenannte Level-1i-Kliniken ausweisen: Die Häuser sind für eine sektorenübergreifende Versorgung mit ambulanten, stationären – so zum Beispiel geriatrischen – und pflegerischen Leistungen vorgesehen. Sie können dem medizinischen Bedarf in ihrer Region unter Umständen besser entsprechen als ein herkömmliches Krankenhaus. Auch könnten die Einrichtungen Patientinnen und Patienten nach Eingriffen an Spezialkliniken aufnehmen, damit diese in der Nähe ihres Wohnortes genesen können.
In der Fläche soll ein relativ dichtes Netz von Häusern der Grundversorgung erhalten bleiben. Dafür sorgen Ausnahmeregelungen zu den Leistungsgruppen. Sie greifen dann, wenn das nächste Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung nicht binnen 30 Minuten, der nächste Schwerpunkt nicht binnen 40 Minuten erreichbar ist. In solchen Regionen können Kliniken, die zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung benötigt werden, von den Vorgaben ihrer Leistungsgruppen abweichen. Die Länder dürfen den jeweiligen Versorgungsauftrag dann für eine bestimmte Frist auch an Häuser vergeben, die nicht genügend Personal, die geforderte Medizintechnik oder hinreichende Patientenzahlen haben. Für bedarfsnotwendige Krankenhäuser im ländlichen Raum sind sogar unbefristete Ausnahmen vorgesehen.
Die Länder müssen in ihrer Planung künftig also eine Vielzahl neuer Faktoren berücksichtigen. „In seiner gegenwärtigen Ausgestaltung gibt das Krankenhausversorgungs-Verbesserungsgesetz den Krankenhausplanungsbehörden der Länder nur sehr wenig Spielraum, um von den Strukturvorgaben und anderen Voraussetzungen der Leistungsgruppen abzuweichen“, sagt ein Pressesprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums.
Vorsprung für NRW: Wie Leistungsgruppen wirken
Nordrhein-Westfalen ist bei der Reform bereits einen Schritt weiter. Das Bundesland hat schon 2022 einen neuen Krankenhausplan beschlossen und seinen Kliniken 2024 erstmals Leistungsgruppen zugewiesen. Die neue Planungssystematik zeigt dort kaum Auswirkungen auf die Grundversorgung, sorgt aber in anspruchsvollen medizinischen Bereichen für mehr Spezialisierung.
In dem dicht besiedelten Bundesland erreichen 90 Prozent der Bevölkerung sogar innerhalb von 20 Minuten ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung. Von den 306 Kliniken, die etwa die Leistungsgruppe „Innere Medizin“ beantragt haben, dürfen laut Science Media Center Germany nur zehn die Versorgung nicht übernehmen. Lediglich zwölf von 286 Häusern wurden von der Leistungsgruppe „Allgemeine Chirurgie“ ausgeschlossen.
Deutliche Veränderungen gab es dagegen im Bereich der Knie-Endoprothetik, die 214 Häuser beantragt hatten. Von diesen sind 78 leer ausgegangen; 55 können genauso viele oder sogar mehr Knieoperationen durchführen, 81 müssen weniger operieren – für das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium ein gutes Ergebnis: „Der neue Krankenhausplan für Nordrhein-Westfalen stärkt die Versorgungsqualität für die Patientinnen und Patienten, während er parallel dem ruinösen Wettbewerb der Krankenhäuser um Fallzahlen und Personal entgegenwirkt“, teilt das Haus mit.
Das EVK Düsseldorf stellt sich neu auf
Die Kliniken stellen sich dafür medizinisch neu auf. So wird zum Beispiel das Evangelische Krankenhaus (EVK) laut „Rheinischer Post“ Ende 2025 die Endoprothetik aufgeben, in anderen Bereichen baut das Haus seine Schwerpunkte aus: Da viele Kliniken komplizierte Tumoreingriffe an Speiseröhre, Bauchspeicheldrüse, Leber und Rektum nicht mehr durchführen dürfen, wird das EVK seine Leistungen in der großen Tumorchirurgie aller Bauchorgane ausbauen. Die Zusammenarbeit mit Partnerkliniken wird intensiviert, so etwa bei anderen Eingriffen an Leber, Gallenwegen und Bauchspeicheldrüse oder bei komplexen Eingriffen zur schonenden endoskopischen Behandlung von frühen Krebserkrankungen im Magen-Darm-Trakt. Werner Hartwig, Chefarzt der chirurgischen Kliniken im EVK, ist überzeugt, dass die neuen Strukturen die Patientensicherheit und Behandlungsergebnisse verbessern: Patientinnen und Patienten könnten sich nun auf „spezialisierte Teams mit hoher Routine und definierten Qualitätsstandards verlassen“. Zudem stärkt das Krankenhaus die Verzahnung mit Haus- und Fachärzten in der Region.
Zukunft der Qualitätssicherung: Politisch motiviert statt evidenzbasiert?
Die Rahmenbedingungen für die Qualität der Versorgung definieren bisher die Bundesländer nach eigenem Ermessen in ihren Landeskrankenhausgesetzen – nur in besonderen Versorgungsbereichen kann der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) den Kliniken bundesweit gültige Vorgaben diktieren, wenn diese erwiesenermaßen die Qualität verbessern. Prominentes Beispiel dafür sind die sogenannten Mindestmengen für komplexe Operationen.
Für die weitere Entwicklung der Leistungsgruppen sind jedoch nicht die Entscheidungen des G-BA maßgeblich, sondern die eines neu gegründeten Gremiums: Im sogenannten Leistungsgruppen-Ausschuss verhandeln Vertreterinnen und Vertreter des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Bundesärztekammer, der Hochschulmedizin und der Berufsorganisationen der Pflegeberufe über die Leistungsgruppen, die der Krankenhausplanung zugrunde liegen sollen, sowie die damit verbundenen Qualitätskriterien. Patientenvertretungen und Medizinische Dienste können an den Sitzungen teilnehmen.
Der Ausschuss beschließt Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Leistungsgruppen, die das Bundesgesundheitsministerium per Verordnung umsetzt. Es kann allerdings von den Empfehlungen abweichen, wenn es Gründe dafür geltend macht. Die Leitung des Gremiums und das Initiativrecht liegen bei Bund und Ländern. Kritiker fürchten deshalb, dass wissenschaftlich begründete Impulse zur Qualitätssicherung aus politischen Motiven unterbunden werden könnten.
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Für die Krankenhausplanung mit Leistungsgruppen hat Nordrhein-Westfalen eine Blaupause geschaffen. Anders als in dem Bundesland etabliert die bundesweite Krankenhausreform aber mit den Leistungsgruppen auch ein neues Vergütungssystem.
Es bleibt bei der dualen Krankenhausfinanzierung durch Länder und Krankenversicherungen. Allerdings wird das ohnehin komplexe Vergütungssystem für die Kliniken komplizierter. Neu ist die sogenannte Vorhaltevergütung. Bund und Länder werden zudem viel Geld in die Modernisierung der Versorgungsstrukturen investieren.
Manche Behandlungen helfen vor allem den Kliniken
Die Erlöse der Kliniken hängen in Deutschland weitgehend davon ab, wie viele Patientinnen und Patienten sie behandeln: Für jeden einzelnen Behandlungsfall erhalten sie von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen eine Pauschale, die sich nach dem spezifischen Aufwand für die Behandlung bemisst. Ausgenommen von der fallbezogenen Vergütung ist das sogenannte Pflegebudget, bei dem die Kliniken sämtliche Kosten erstattet bekommen, die für ihre Beschäftigten in der Pflege entstehen. Es macht zirka 20 Prozent der gesamten Erlöse aus.
Die Einführung der fallbezogenen Vergütung hat in der Versorgung Transparenz geschaffen. Sie motiviert aber die Kliniken, möglichst viele Patientinnen und Patienten stationär aufzunehmen – und diese nach Möglichkeit mit Therapien zu behandeln, die sich für die Häuser lohnen. So erhalten nicht alle Patientinnen und Patienten zuverlässig die Behandlung, die sie aus medizinischer Sicht benötigen, sondern mitunter auch mehr, weniger oder ungeeignete Therapien.
Das Geld soll der Versorgung folgen
Um diesen Anreiz zu dämpfen, kommt künftig eine neue Komponente hinzu: die sogenannte Vorhaltevergütung. Die Häuser sollen einen Teil ihres Budgets unabhängig davon bekommen, wie viele Patientinnen und Patienten sie tatsächlich aufgenommen haben – solange sie nicht zu stark von den Fallzahlen abweichen, die der ersten Berechnung ihres Budgets zugrunde gelegt wurden. Das Vorhaltebudget stammt nicht aus zusätzlichen Mitteln, vielmehr wird der Anteil für Vorhaltung aus dem gesamten Erlösvolumen der Kliniken herausgerechnet.
Die Vergütung der Kliniken besteht dann künftig aus den Erlösen für die Patientenbehandlung, den Mitteln zur Finanzierung der Pflege und der Vorhaltevergütung. Je nach Leistungs- und Personalstruktur des Hauses wird die Vorhaltung einen Umfang von zirka 40 Prozent haben. Das Pflegebudget bleibt ein kostendeckendender Faktor. Im Ergebnis erhalten die Krankenhäuser künftig also nur noch 40 Prozent ihrer Einkünfte unmittelbar abhängig von den Fällen, die sie behandeln.
Der Umfang der Vorhaltevergütung wird für jedes Bundesland, sogar für jede Klinik, berechnet und richtet sich nach der Anzahl der Fälle, die dort in einem bestimmten Referenzjahr behandelt wurden. Ausgezahlt wird die Vorhaltevergütung mit der Abrechnung. Dabei erhalten die Kliniken einen Zuschlag für jeden einzelnen Behandlungsfall. Voraussetzung dafür ist, dass sie den entsprechenden Versorgungsauftrag haben. Fälle, die außerhalb ihres Leistungsgruppen-Spektrums liegen, dürfen die Häuser ab dem Jahr 2027 nicht mehr abrechnen.
↑ Die Investitionsfinanzierung bleibt unverändert. Die Betriebskostenfinanzierung hingegen verändert sich.
Der Mechanismus zwingt zunächst die Länder, den Kliniken im Rahmen ihrer Krankenhausplanung Leistungsgruppen zuzuweisen. Für die Kliniken bedeutet die Vorhaltefinanzierung, dass sich einzelne Fälle finanziell weniger stark in den Erlösen niederschlagen. Die Häuser haben dadurch weniger Anreize, Behandlungen durchzuführen, wenn es nicht unbedingt medizinisch notwendig ist. So könnte das Klinikpersonal entlastet werden. Gleichzeitig federt die Vorhaltekomponente finanzielle Effekte ab, wenn Kliniken einmal weniger Patienten haben als geplant. Das KHVVG sieht außerdem höhere Zuschläge für die Sicherstellung von Kliniken in strukturschwachen Gebieten vor. „Die Reform ermöglicht auch kleinen Kliniken, die die regionale Versorgung sichern, das wirtschaftliche Überleben“, meint Alexander Kujat, Pressesprecher des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Sport in Mecklenburg-Vorpommern. Die Häuser könnten selbst bei vergleichsweise wenig Behandlungen wirtschaftlicher agieren.
Ein neuer Tarif für die wohnortnahe Versorgung
Ausgenommen von dieser Art der Finanzierung werden künftig die sogenannten sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen sein – sogenannte Level-1i-Kliniken, die nur wenige Betten für eine stationäre Versorgung bereithalten, aber auch ambulante Leistungen und Pflege anbieten. Die Einrichtungen verhandeln mit den Krankenkassen über ihre Vergütung auf der Basis von Tagespauschalen. Damit soll in der Krankenhauslandschaft ein weitgehend neuer Typ von Krankenhaus entstehen – nach Ansicht von Ruth Hecker, Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS), ein Gewinn für die Versorgung: „Die geplanten Level-1i-Krankenhäuser können die ambulante und stationäre Versorgung besser miteinander verzahnen. So kann die wohnortnahe Versorgung erhalten bleiben oder sich sogar verbessern, besonders wenn zusätzlich digitale Anwendungen genutzt und die Professionalisierung der Pflege gestärkt werden.“
Milliarden für den Umbau der Kliniklandschaft
Für die Finanzierung von Investitionskosten der Krankenhäuser sind in Deutschland die Bundesländer zuständig. Damit fördern sie insbesondere Neu- und Umbauten, mitunter auch medizinische Einrichtungen wie OP-Säle oder Medizintechnik. Während Anfang der 1970er-Jahre noch viel Geld in den Sektor floss, haben die Länder ihr Engagement in den vergangenen Jahrzehnten jedoch stark zurückgefahren. So hat sich nach Einschätzung der Deutschen Krankenhausgesellschaft ein Investitions- und Modernisierungsstau von insgesamt zirka 30 Milliarden Euro aufgebaut. Auch um die Anforderungen der Leistungsgruppen zu erfüllen, müssen die Träger investieren.
Mit der Krankenhausreform hat die Bundesregierung deshalb ein milliardenschweres Förderprogramm aufgelegt. Aus dem sogenannten Transformationsfonds sollen die Kliniken zwischen 2026 und 2036 bis zu 50 Milliarden Euro erhalten können. Jedes Bundesland kann seinen Anteil entsprechend seiner Bevölkerung abrufen („Königsteiner Schlüssel“). Die Gelder müssen für Zwecke ausgegeben werden, die auf das Ziel der Krankenhausreform einzahlen: eine moderne, bedarfsgerechte und qualitätsorientierte Kliniklandschaft zu schaffen. So stehen sie für Maßnahmen zur Verfügung, mit denen die Häuser die neuen Qualitätsanforderungen der Leistungsgruppen erfüllen, also zum Beispiel die Anschaffung von medizinischen Geräten. Sie sollen dazu beitragen, telemedizinische Kooperationen – etwa robotergestützte Telechirurgie – zu ermöglichen, regionale Verbünde zu realisieren oder integrierte Notfallstrukturen zu schaffen. Die Länder können auch auf die Mittel zugreifen, wenn Kliniken in sektorenübergreifende Versorger umgewandelt oder geschlossen werden sollen. Zudem werden neue Ausbildungskapazitäten für Pflegeberufe finanziert. Unikliniken können zudem Zentren, an denen sie seltene, komplexe oder schwerwiegende Erkrankungen behandeln, fördern lassen.
Streit ums Geld: Wer zahlt die Reform?
Das KHVVG sieht bisher vor, dass 25 der 50 Milliarden Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds, also aus GKV-Geldern stammen sollen. Nach heftiger Kritik hat die neue Bundesregierung angekündigt, diesen Anteil für den Umbau der Klinikstrukturen aus dem Sondervermögen Infrastruktur zu finanzieren, also aus Bundesmitteln. Ein entsprechendes Gesetz muss der neue Bundestag noch beschließen.
Die andere Hälfte müssen die Bundesländer selbst aufbringen: Sie beantragen die Finanzierung gemeinsam mit den Trägern beim Bundesamt für Soziale Sicherung und bekommen die Finanzierung nur dann bewilligt, wenn sie einen ebenso hohen Anteil zum Vorhaben beitragen wie der Bund. Dabei können sie die Klinikträger an dieser Summe beteiligen: Bis zu 25 Prozent der Projektkosten kann das Krankenhaus selbst übernehmen, dem die Maßnahme zugutekommt. So können die Länder ihre eigenen Investitionsausgaben für die Reform erheblich senken.
↑ Der Transformationsfonds soll je zur Hälfte aus Geldern der gesetzlichen Krankenversicherung und der Bundesländer finanziert werden. Klinikträger können bis zu 50 Prozent der Länderanteile übernehmen.
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-> Die Grundzüge der Reform stehen fest: Krankenhausplanung, Leistungsvergütung und Finanzierung der neuen Strukturen sind vorgezeichnet. In den Regionen unterscheiden sich die vorhandenen Strukturen und die Versorgungsbedarfe allerdings erheblich. So sehen die Länder und Kommunen, Patientenvertretungen und Kostenträger den Veränderungen mit unterschiedlichen Erwartungen entgegen.
Viele Details der Reform sind noch ungeklärt. Fest steht aber: Im Osten sind die Rahmenbedingungen für die Krankenhäuser anders als im Westen, auch die Bevölkerungsdichte spielt eine Rolle. Länder, Krankenkassen und auch Patientenschützer fordern Nachbesserungen.
Kernelemente der Reform, so etwa die präzise Ausgestaltung der Leistungsgruppen und die geforderten Fallzahlen – sogenannte Mindestvorhaltezahlen –, sind noch zu regeln. Am Ende entscheidet jedes Bundesland für seine Kliniken, wie stark bestimmte Leistungen gebündelt werden, um die Spezialisierung der Häuser voranzutreiben. Dabei müssen sie die finanziellen Effekte im Blick behalten. Selbst in Nordrhein-Westfalen (NRW), das sich als Vorreiter für eine zukunftsfeste und patientenorientierte Neuaufstellung der Krankenhauslandschaft in Deutschland sieht, sind die Auswirkungen deshalb ungewiss: Die Behandlungsqualität werde durch die neue Planungssystematik gestärkt und Doppel- und Mehrfachvorhaltungen in benachbarten Krankenhäusern würden abgebaut, teilt das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) des Landes NRW auf Anfrage mit, doch „für Aussagen bezüglich der Auswirkungen des KHVVG auf NRW ist es aktuell zu früh“.
Dasselbe gilt für den dicht besiedelten Stadtstaat Berlin. Konkrete Auswirkungen auf die Versorgungslandschaft mit ihren 51 Krankenhäusern könnten erst nach dem Anhörungsverfahren getroffen werden, heißt es auf Anfrage vonseiten der Senatsgesundheitsverwaltung. Das Bundesland Berlin arbeitet derzeit zusammen mit dem Nachbarn Brandenburg am neuen Krankenhausplan, der ab dem 1. Januar 2027 – mit dem Start der Vorhaltefinanzierung – umgesetzt werden soll. Die Anhörungsverfahren beginnen dort im Sommer 2025. Auch Bayern bereitet sich nach Angaben seines Gesundheitsministeriums seit Herbst 2024 mit dem „7-Punkte-Plan“ auf die Umsetzung des KHVVG vor. „Belastbare Aussagen, welchen Krankenhäusern aufgrund fehlender Qualitätskriterien die entsprechenden Leistungsgruppen nicht zugewiesen werden können, erwarten wir letztlich erst ab 2026, wenn die Ergebnisse der Prüfungen der Leistungsgruppenvoraussetzungen durch den Medizinischen Dienst vorliegen“, so ein Pressesprecher.
Die Sorgen der Länder und Kommunen
Während es bei der Reform in den westlichen Ländern meist um schlankere Strukturen geht, schaut Thüringen mit etwas mehr als zwei Millionen Einwohnern und 42 Krankenhäusern an 52 Standorten besorgt auf den ländlichen Raum. In dem dünn besiedelten Flächenland, in dem es bereits nach der Wende eine Konsolidierung der Krankenhäuser gab, werde jeder Standort gebraucht, so das Landesgesundheitsministerium. Eventuell würden sich die Zuschnitte ändern oder einzelne Standorte in Medizinische Versorgungszentren (MVZ) umgewandelt. „Konkretisieren lässt sich dies allerdings erst im weiteren Prozess“, teilt das Ministerium mit. In Mecklenburg-Vorpommern, dem drittkleinsten Bundesland mit 37 Krankenhäusern an 74 Standorten, hat das Kabinett im April einen Entwurf für ein neues Landeskrankenhausgesetz verabschiedet. Von der Bundesreform erwartet das Land einen Rahmen für Bedarfsgerechtigkeit, Erreichbarkeit, Qualität sowie Wirtschaftlichkeit, Letzteres auch durch einen Leistungsgruppen-Mix an Standorten“, teilte das Ministerium auf Anfrage mit.
Auch bei den finanziellen Auswirkungen, die die Kommunen stark betreffen, gibt es noch Fragezeichen. Landrätin Stefanie Bürkle im baden-württembergischen Sigmaringen kann noch keine Erleichterungen durch die Neuaufstellung der Krankenhausversorgung ausmachen. „Die Betriebskostenfinanzierung von Krankenhäusern war in den vergangenen Jahren nicht auskömmlich, was den Haushalt des Landkreises mit Millionenbeträgen belastet hat. Eine durchschlagende Verbesserung dieser Defizitsituation vermag ich in der vorgelegten Krankenhausreform noch nicht zu erkennen“, so Bürkle. Ihr bayerischer Kollege in Ebersberg, Großraum München, ist optimistischer: „Wir verfügen über ein leistungsstarkes, sehr attraktives Klinikum, das im Münchner Osten versorgungsnotwendig ist“, sagt Robert Niedergesäß, Landrat Ebersberg. So werde sich die Reform vermutlich nicht negativ auswirken. „Da das Klinikum seit Jahren wächst, ist dessen Einfluss auf Arbeitsplätze, Kaufkraft, Kultur positiv – und das wird so bleiben“, glaubt der Landrat.
Ausblick: Es bleibt noch viel zu tun
Wie geht es weiter? Zunächst stehen zwei wichtige Verordnungen zu den Kernthemen der Reform noch aus: Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) muss nun möglichst bald mit Zustimmung des Bundesrates die Qualitätskriterien zu den einzelnen Leistungsgruppen festlegen – geplant war die Regelung bis zum 31. März 2025. Die Bestimmung der Mindestvorhaltezahlen, die die Kliniken vorweisen müssen, um die Vorhaltefinanzierung zu erhalten, soll im Lauf des Jahres folgen.
Die neue Bundesregierung will die Gesetze zur Krankenhausreform bis zum Sommer 2025 weiterentwickeln. So sollen die bis Ende 2026 geltenden Fristen angepasst und die Konvergenzphase für die Einführung der Vorhaltefinanzierung um ein Jahr verlängert werden. Auch sollen im ländlichen Raum mehr Ausnahmen und erweiterte Kooperationen zugelassen werden. Und wie von den Kassen gefordert, soll der milliardenschwere Transformationsfonds nun nicht mehr zur Hälfte aus Mitteln der Beitragszahlenden finanziert werden – angesichts dramatischer Defizite in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist hierfür nun das geplante Sondervermögen Infrastruktur vorgesehen.
Kassen wollen weitere Reformen
Doch die Kritik ebbt nicht ab. Viele Fachgesellschaften hatten schon im Gesetzgebungsprozess die Anforderungen der Leistungsgruppen als teils zu hoch, teils zu niedrig kritisiert. Sie wurden jedoch im KHVVG als Garant für eine bessere Versorgung etabliert; eine Verwässerung der Leistungsgruppen droht das Qualitätsversprechen zu unterlaufen. Mit Blick auf die Patienten sollte deshalb ausgeschlossen werden, dass für den ländlichen Raum geringere Qualitätsmaßstäbe angelegt werden dürfen, schrieb der GKV-SV bereits zur Verabschiedung des KHVVG: „In der neuen Legislatur muss es aus Sicht des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) darum gehen, die Krankenhausreform besser zu machen.“ Das Versorgungsangebot müsse sich am Bedarf der Patientinnen und Patienten orientieren und nicht an den Wünschen der Krankenhäuser.
Patientenschützer fordern einen grundsätzlich anderen Umgang mit Qualität. Insgesamt würde bei der Reform zu sehr die Strukturqualität, sprich die personellen, technischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine hochwertige Versorgung, in den Blick genommen, sagt die Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS), Ruth Hecker: „Es fehlt noch der vertiefte Blick auf die Prozessqualität, also wie die Behandlungs- und Pflegeprozesse tatsächlich ablaufen, damit die Ergebnisqualität für die Patientinnen und Patienten wirklich besser wird.“ Ob die Reform tatsächlich zu einer Verbesserung für die Patienten führe, hänge von der praktischen Umsetzung ab.
Vorsichtig optimistisch ist auch die AOK. Die Krankenhausreform der Ampel sei eine „solide Basis“ für notwendige Strukturreformen, so die vorläufige Bilanz der Vorständin des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann. Darauf könne die schwarz-rote Regierung aufbauen. „Wichtig ist, dass die Reform kein Papiertiger bleibt und dass es tatsächlich einen Umbau der Strukturen gibt“, betonte Reimann anlässlich der Veröffentlichung des Krankenhaus-Reports des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Die AOK und andere Krankenkassen, aber auch viele Klinikträger fordern, dass bei der Vorhaltefinanzierung nachgebessert wird. Diese sollte unabhängig von den Fallzahlen ausgezahlt werden und sich am Versorgungsbedarf der Bevölkerung in der jeweiligen Region orientieren. Das derzeit vorgesehene Verfahren könnte in den Budgetverhandlungen zwischen Kliniken und Kassen zu Konflikten führen – und zu bürokratischem Aufwand, wenn etwa zu viel gezahlte Vorhaltemittel erstattet werden müssen.
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Die neue Gesundheitsministerin Nina Warken hat bei ihrer Antrittsrede im Deutschen Bundestag angekündigt, dass die Koalition aus Union und SPD auf der beschlossenen Krankenhausreform der Ampel aufbauen will. Die bestehenden Vorgaben und Anforderungen sollten aber „noch einmal hinsichtlich der Ziele geprüft werden“. Bei „notwendigen Anpassungen“ wolle sie auch auf den Dialog mit Ländern, Selbstverwaltungspartnern und Praktikern setzen, sagte Warken.
Das schwarz-rote Bündnis hat in seinem Koalitionsvertrag vereinbart, dass es die strukturelle Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben schließen will. Der Weg zum Ziel ist bekannt: Um eine Überforderung der Kliniken und massive Ausgabensteigerungen in den nächsten Jahren zu verhindern, gilt es, die Versorgungsstrukturen zu verbessern. Dafür gehört insbesondere die Reform der Notfallversorgung wieder auf die Agenda. Schon die Regierungskommission Krankenhaus des ehemaligen Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach hatte dazu konkrete Vorschläge gemacht, darunter die Einrichtung Integrierter Notfallzentren und bundesweit einheitliche Regelungen für den Rettungsdienst. Denn auch die Versorgung vor und nach dem Klinikaufenthalt entscheidet über den Erfolg der Akutbehandlung. Eine gute ambulante Versorgung kann viele Klinikaufenthalte vermeiden. Die korrekte Ersteinschätzung im Notfall lotst Patientinnen und Patienten in die richtige Versorgungsebene. Die Reformen müssen dafür sorgen, dass die Kliniken nur noch Patientinnen und Patienten behandeln, deren stationärer Aufenthalt aus medizinischen Gründen erforderlich ist.
Die Länder haben jetzt die große Chance, mit einer neu aufgesetzten Krankenhausplanung wirklich etwas im Sinne der Patientinnen und Patienten zu verbessern.
Carola Reimann
Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes